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Theorie & Grundlagen

Übertragungsleitungstheorie für PCB-Design

Beherrschen Sie die Übertragungsleitungstheorie für Hochgeschwindigkeits-PCB-Design. Verstehen Sie charakteristische Impedanz, Ausbreitungsverzögerung, Reflexionen und Abschlussstrategien mit praktischen Beispielen.

Wenn die Signalanstiegszeiten mit der Ausbreitungsverzögerung vergleichbar werden, verhalten sich Leiterbahnen wie Übertragungsleitungen. Dieser Leitfaden bietet die theoretischen Grundlagen und das praktische Wissen, die zum Entwerfen zuverlässiger Hochgeschwindigkeits-PCB-Verbindungen erforderlich sind.

Signalintegritäts-Team18 Min. Lesezeit

Einführung in die Übertragungsleitungstheorie

Die Übertragungsleitungstheorie beschreibt, wie sich elektromagnetische Wellen entlang von Leitern ausbreiten. Im PCB-Design werden Leiterbahnen zu Übertragungsleitungen, wenn ihre elektrische Länge sich der Signalwellenlänge nähert. Das Verständnis dieses Verhaltens ist für das Design zuverlässiger Hochgeschwindigkeits-Digital- und HF-Schaltungen unerlässlich.

Warum Übertragungsleitungstheorie Wichtig ist

Signalintegrität
Reflexionen und Klingeln verhindern
Timing
Genaue Verzögerungsvorhersage
Leistungsübertragung
Maximale Effizienz
EMC
Reduzierte Emissionen

Wann Übertragungsleitungseffekte Gelten

Nicht jede Leiterbahn ist eine Übertragungsleitung. Der kritische Faktor ist das Verhältnis zwischen Ausbreitungsverzögerung der Leiterbahn und Anstiegs-/Abfallzeit des Signals. Wenn die Verzögerung der Leiterbahn etwa 1/6 der Anstiegszeit überschreitet, werden Übertragungsleitungseffekte signifikant.

Kritische Längenberechnung

Kritische Längenformel:

L_critical = (Rise Time × c) / (6 × √εᵣ)

Wobei c = Lichtgeschwindigkeit (3×10⁸ m/s), εᵣ = effektive Dielektrizitätskonstante

Beispielberechnungen:

1 ns Anstieg
~2.5 cm
500 ps Anstieg
~1.25 cm
100 ps Anstieg
~2.5 mm

Moderne Hochgeschwindigkeitssignale

Bei den heutigen Hochgeschwindigkeitsschnittstellen sind fast alle Leiterbahnen Übertragungsleitungen:

  • • DDR4/DDR5: 50-100 ps Flankenraten kritische Länge ~2-4 mm
  • • PCIe Gen4/5: 35-50 ps Flankenraten kritische Länge ~1-2 mm
  • • USB 3.2: 50-80 ps Flankenraten kritische Länge ~2-3 mm
  • • 10G Ethernet: 30-40 ps Flankenraten kritische Länge ~1 mm

Übertragungsleitungsparameter

Eine Übertragungsleitung wird durch vier verteilte Parameter charakterisiert: Widerstand (R), Induktivität (L), Leitwert (G) und Kapazität (C) pro Längeneinheit. Diese RLGC-Parameter bestimmen das gesamte Verhalten der Übertragungsleitung.

RLGC-Parameter

R - Serienwiderstand
  • DC-Widerstand des Leiters
  • Steigt mit Frequenz (Skin-Effekt)
  • Einheiten: Ω/m
  • Verursacht Signaldämpfung
L - Serieninduktivität
  • Selbst- und Gegenseitige Induktivität
  • Hängt von der Geometrie ab
  • Einheiten: H/m
  • Beeinflusst Impedanz und Verzögerung
G - Parallelleitwert
  • Dielektrischer Verlust
  • Bezogen auf Verlustfaktor
  • Einheiten: S/m
  • Normalerweise klein bei niedrigen Frequenzen
C - Parallelkapazität
  • Zwischen Leiter und Referenz
  • Hängt von Geometrie und εᵣ ab
  • Einheiten: F/m
  • Beeinflusst Impedanz und Verzögerung

Charakteristische Impedanz

Die charakteristische Impedanz (Z₀) ist das Verhältnis von Spannung zu Strom für eine Welle, die sich entlang der Leitung ausbreitet. Sie hängt nur von der Geometrie und den Materialien der Leitung ab, nicht von Länge oder Abschluss.

Formeln für Charakteristische Impedanz

Allgemeine Formel (Verlustfrei):

Z₀ = √(L/C)

Allgemeine Formel (Verlustbehaftet):

Z₀ = √((R + jωL)/(G + jωC))

Typische Werte:

Single-ended
50Ω typisch
Differentiell
100Ω typisch
DDR
40-60Ω

Ausbreitung und Verzögerung

Signale wandern entlang von Übertragungsleitungen mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit, die aufgrund des dielektrischen Materials langsamer ist als die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum.

Ausbreitungsparameter

Ausbreitungsgeschwindigkeit:

v = c / √εᵣ_eff = 1 / √(LC)

Für FR-4 (εᵣ ≈ 4,4): v ≈ 0,48c ≈ 144 mm/ns

Ausbreitungsverzögerung:

t_pd = L / v = L × √(εᵣ_eff) / c

Für FR-4: ca. 6-7 ps/mm oder 150-170 ps/Zoll

Auswirkungen der Verzögerungsanpassung

  • 1 mm Längenunterschied ≈ 6-7 ps Verzögerungsunterschied
  • Via-Übergänge fügen ~10-30 ps hinzu, je nach Via-Typ
  • Lagenwechsel beeinflussen εᵣ_eff und damit die Ausbreitungsgeschwindigkeit

Reflexionen und VSWR

Wenn ein Signal auf eine Impedanzdiskontinuität trifft, wird ein Teil der Welle zur Quelle zurückreflektiert. Der Reflexionskoeffizient quantifiziert diesen Effekt.

Reflexionskoeffizient

Reflexionskoeffizient (Γ):

Γ = (Z_L - Z₀) / (Z_L + Z₀)

Bereich: -1 (Kurzschluss) bis +1 (offen), 0 = angepasst

VSWR (Stehwellenverhältnis):

VSWR = (1 + |Γ|) / (1 - |Γ|)

Bereich: 1:1 (perfekte Anpassung) bis ∞:1 (vollständige Fehlanpassung)

Reflexionseffekte in Digitalen Signalen

  • Überschwingen/Unterschwingen: Kann IC-Spannungsnennwerte überschreiten
  • Klingeln: Mehrfache Reflexionen verursachen Oszillationen
  • Timing-Fehler: Nicht-monotone Flanken verursachen Fehlauslösungen
  • EMI: Reflexionen erzeugen strahlende Stehwellen

Abschlussstrategien

Der Abschluss eliminiert Reflexionen durch Anpassung der Leitungsimpedanz an kritischen Punkten. Verschiedene Abschlussschemas haben unterschiedliche Kompromisse.

Abschlusstypen

Serien-(Quellen-)Abschluss
  • Widerstand am Treiberausgang
  • • R = Z₀ - R_driver
  • Niedriger Stromverbrauch
  • Halbe Amplitude am Empfänger zunächst
  • Funktioniert für Punkt-zu-Punkt
Parallel-(Last-)Abschluss
  • Widerstand am Empfänger
  • • R = Z₀
  • Volle Amplitude sofort
  • Höherer Stromverbrauch (DC-Pfad)
  • Gut für Multi-Drop-Busse
Thevenin-Abschluss
  • Pull-up- und Pull-down-Widerstände
  • Setzt DC-Arbeitspunkt
  • 2R jeweils für Z₀ parallel
  • Höherer Stromverbrauch als parallel
  • Gut für vorbelastete Signale
AC-(RC-)Abschluss
  • Serien-R-C am Empfänger
  • Blockiert DC, schließt AC ab
  • Niedriger Stromverbrauch
  • Begrenzte Niederfrequenzantwort
  • Gut für periodische Signale

PCB-Übertragungsleitungsstrukturen

Verschiedene PCB-Routing-Strukturen haben unterschiedliche Impedanzeigenschaften und eignen sich für unterschiedliche Anwendungen.

Häufige PCB-Übertragungsleitungstypen

Mikrostreifenleitung

Leiterbahn auf Außenlage mit Massefläche darunter. Häufigste Struktur.

  • Höhere Impedanz bei gegebener Breite
  • Der Umgebung ausgesetzt (EMI-Bedenken)
  • Einfacher zu messen/debuggen
  • • εᵣ_eff < εᵣ (Luft über Leiterbahn)
Streifenleitung

Leiterbahn zwischen zwei Masseflächen (Innenlage).

  • Bessere Abschirmung, geringeres EMI
  • Niedrigere Impedanz bei gegebener Breite
  • • εᵣ_eff = εᵣ (vollständig eingebettet)
  • Schwerer zugänglich für Debug
Koplanarer Wellenleiter

Leiterbahn mit Masseflächen auf derselben Lage (mit oder ohne Masse darunter).

  • Gut für HF und Hochgeschwindigkeit
  • Einfacher Massezugang für Vias
  • Geringeres Übersprechen zu benachbarten Leiterbahnen
  • Mehr PCB-Fläche erforderlich

Differentielle Übertragungsleitungen

Differentielle Signalisierung verwendet zwei komplementäre Signale. Das differentielle Paar hat verschiedene Impedanzmodi, die für ein ordnungsgemäßes Design verstanden werden müssen.

Differentielle Impedanzmodi

Differenzieller Modus (Zdiff):

Z_diff = 2 × Z_odd = 2 × Z₀ × (1 - k)

Wobei k = Kopplungskoeffizient. Engere Kopplung → niedrigerer Zdiff.

Gleichtaktmodus (Zcm):

Z_cm = Z_even / 2 = Z₀ × (1 + k) / 2

Wichtig für Gleichtaktrauschimmunität.

  • Konstanten Abstand entlang des differentiellen Paar-Routings beibehalten
  • Leiterbahnlängen innerhalb des Paares auf <5% der Anstiegszeit anpassen
  • Differentielle Paare von Single-Ended-Signalen fernhalten

Verlustmechanismen

Die Signaldämpfung in PCB-Übertragungsleitungen stammt von Leitverlusten (resistiv) und dielektrischen Verlusten. Beide nehmen mit der Frequenz zu.

Verlustkomponenten

Leiterverlust
  • DC-Widerstand der Leiterbahn
  • Skin-Effekt bei hoher Frequenz
  • Oberflächenrauigkeitseffekt
  • Steigt als √f
Dielektrischer Verlust
  • Proportional zum Verlustfaktor (tan δ)
  • Steigt linear mit Frequenz
  • Dominiert bei sehr hohen Frequenzen
  • • FR-4: tan δ ≈ 0.02

Verlustminderung

  • Breitere Leiterbahnen verwenden (niedrigerer Widerstand)
  • Materialien mit geringem Verlust wählen (tan δ < 0,005)
  • Glattes Kupfer für Hochgeschwindigkeitslagen spezifizieren
  • Leiterbahnlänge minimieren

Simulationsmethoden

Die Übertragungsleitungssimulation prognostiziert das Signalverhalten vor der Fertigung. Verschiedene Simulationsansätze dienen unterschiedlichen Zwecken.

Simulationsansätze

2D-Feldsolver
  • Berechnet Z₀, Verzögerung, Kopplung
  • Schnell, gut für Initialdesign
  • Nimmt einheitlichen Querschnitt an
  • Beispiele: Saturn, Polar SI
3D-EM-Simulation
  • Vollständige elektromagnetische Analyse
  • Behandelt Diskontinuitäten, Vias
  • Rechenintensiv
  • Beispiele: HFSS, CST
SPICE-Simulation
  • Zeitbereichswellenformen
  • Verwendet extrahierte Modelle
  • Augendiagramm-Analyse
  • Beispiele: HyperLynx, SIwave
IBIS-Modellierung
  • IC-Treiber/Empfänger-Verhalten
  • Nicht-proprietäres Format
  • Verwendet mit Kanalmodellen
  • IBIS-AMI für SerDes

Übertragungsleitungs-Designregeln

Wesentliche Designregeln

  • Impedanz auf ±10% oder besser kontrollieren
  • Alle Übertragungsleitungen ordnungsgemäß abschließen
  • Impedanzdiskontinuitäten minimieren
  • Über kontinuierliche Referenzebenen routen
  • Massevias bei Lagenübergängen hinzufügen
  • Längen innerhalb differentieller Paare anpassen
  • Geeignetes Via-Design für Hochgeschwindigkeit verwenden
  • Kritische Netze vor Layout simulieren

Wichtige Erkenntnisse

  • Leiterbahnen als Übertragungsleitungen behandeln, wenn die Länge die kritische Länge überschreitet
  • Charakteristische Impedanz hängt von Geometrie und Materialien ab, nicht von der Länge
  • Impedanzdiskontinuitäten verursachen Reflexionen, die Signale verschlechtern
  • Ordnungsgemäßer Abschluss eliminiert Reflexionen
  • Differentielle Paare erfordern Beachtung sowohl des differentiellen als auch des Gleichtaktmodus
  • Verluste nehmen mit der Frequenz zu—für lange Leiterbahnen berücksichtigen

Verwandte Rechner

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